Weniger Auszubildende
Zugleich gibt es dem DWI zufolge aber auch in dieser wie in vielen anderen Branchen insgesamt weniger Auszubildende. Wurden zwischen 2014 und 2018 noch durchschnittlich 347 Verträge pro Jahr abgeschlossen, so waren es zwischen 2019 und 2023 nur noch 288 im Jahresdurchschnitt.
"Ich dachte man sei etwas Besonderes, mittlerweile gibt es aber echt viele Frauen", sagt auch Nunkesser. In ihrer Berufsschulklasse sei es etwa die Hälfte. Sie fühle sich in dem Job auch nicht benachteiligt, nur manchmal ein wenig bevormundet, wenn Männer sie körperliche Arbeiten nicht einmal versuchen ließen. Und: "Wenn man als Frau mit dem Schlepper rumfährt, dreht sich der ein oder andere Kerl schon mal länger um."
Das Deutsche Weininstitut hat noch einen anderen Trend ausgemacht: Der Anteil der Azubis, die nicht aus einer Winzerfamilie kommen, ist auf rund die Hälfte gestiegen. Das "gute Image des Berufsbildes" sieht das DWI als Grund. Kaum ein Lehrberuf sei so vielseitig wie der des Winzers. "Schließlich bestimmt der Winzer oder die Winzerin jeden einzelnen Schritt, den ein Wein vom Rebstock bis ins Glas durchläuft", sagt DWI-Sprecher Ernst Büscher.
Natur, Weinproduktion und Vermarktung
Wirsching erklärt es so: "Im Weinbau hat man die Möglichkeiten, Entscheidungen zu treffen und ein Produkt zu beeinflussen. Das ist ein extrem attraktiver Beruf mit einem sehr guten Image." Und das Spektrum des Berufs sei breit: die Auseinandersetzung mit der Natur, die Weinproduktion und die Vermarktung. Es gehe aber auch um Kontakt mit Menschen, um Essen und Trinken und um Weintourismus.
Nunkesser, deren Eltern in der Medizinbranche arbeiten, schätzt vor allem die Gemeinschaft bei der Lese und der Weinproduktion sowie die Arbeit in der wechselnden Natur. "Es ist nie derselbe Weinberg, derselbe Rebstock, dasselbe Wetter und dieselbe Jahreszeit." Und: "Es ist ein Handwerk, aber auch eine Art von Kreativität, die man da ausleben kann." Sie hebt auch die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten in der Branche hervor: Forschung, Marketing sowie Sensorik nennt sie als Beispiele.
Noch Mitte der 90er Jahre seien mehr als 90 Prozent der Auszubildenden aus Winzerfamilien gekommen, sagt auch VDP-Präsident Christmann. "Heute sind es noch etwa 50 Prozent." Einen Grund sieht er in der Akademisierung der Ausbildung. Die Hochschule Geisenheim im Rheingau und der Weincampus in Neustadt an der Weinstraße etwa berichten von mehr Studierenden und einem wachsenden Frauenanteil.
Christmann gibt aber zu bedenken: "Letztlich ist es ein praktischer Beruf mit vielen nicht akademischen Tätigkeiten." Und Wirsching sagt mit Blick auf die zuzeit schwierige Situation im Weinbau: "Wer den Job heute nicht mit Leidenschaft macht, hat keine Chance. Aber wenn Du es kannst, brauchst Du nicht einmal eigene Weinberge."
Nach zwei Jahren Ausbildung, zuletzt auf dem Weingut Gies-Düppel bei Landau in der Pfalz, will Hanna Nunkesser sich noch zur Weintechnikerin fortbilden. "Als Gesellin verdient man zu wenig." Bevor die angehende Winzerin diesen Schritt geht, will sie aber noch mehr Erfahrung in der Welt und der Branche sammeln, "um zu gucken, was es alles gibt". Nach dem Abschluss ihrer Lehre im Sommer will sie bei der Lese in England helfen, weil sie die Sektherstellung dort interessiert. Und ab Februar geht es wahrscheinlich nach Australien. "Dann geht die Lese auf der Südhalbkugel los."